Wenn jede Sekunde zählt.

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Wie viele Personen, welche Uhrzeit, wo genau? Antworten auf diese und weitere Fragen übermittelt das eCall-System eines in einen Unfall verwickelten Fahrzeugs innerhalb kürzester Zeit an die nächstgelegene Rettungsleitstelle. Eine wichtige Funktion – denn nach einem Unfall zählt oft jede Sekunde. In Europa sind automatische Notrufsysteme deshalb bei neuen Fahrzeugmodellen seit 2018 Pflicht, viele weitere Länder sind aktuell in der Umsetzung oder planen die Einführung eines entsprechenden Gesetzes. Die ASAP Gruppe betreut eCall-Anläufe in verschiedenen Märkten weltweit – dabei begegnen die Entwickler unterschiedlichsten Herausforderungen. 

Schätzungen zufolge können durch den Einsatz von eCall-Systemen Rettungskräfte in der Stadt bis zu 40 und in ländlichen Regionen bis zu 50 Prozent schneller am Unfallort eintreffen [1] und so zahlreiche Menschenleben gerettet werden. Die automatischen Notrufsysteme, die in immer mehr Ländern bei Neuwagen verpflichtend sind, sorgen nach einem schweren Unfall für den Aufbau einer Telefonverbindung zur nächstgelegenen Rettungsleitstelle. Darüber hinaus übermitteln sie automatisch die von den Rettungskräften benötigten Informationen und können bei Bedarf auch manuell ausgelöst werden Die ASAP Gruppe unterstützt ihre Kunden in der Entwicklung und beim Anlauf neuer eCall-Systeme in verschiedenen Märkten weltweit. Dabei spielen insbesondere die Integration und Absicherung der Systeme eine entscheidende Rolle: so müssen etwa länderspezifische Anforderungen definiert, das Testing in Laboren und bei Erprobungsfahrten durchgeführt oder auch der abschließende Zertifizierungsprozess vor dem Start der Serienproduktion gesteuert werden. 

Datenschutz, Mobilfunknetze und weitere Herausforderungen.

Eine große Herausforderung in der Entwicklung von eCall-Systemen sind die je nach Land variierenden Anforderungen und Gesetzeslagen. Zwar existiert eine internationale Richtlinie, diese kann jedoch individuell angepasst werden. Aktuell kümmert sich ASAP beispielsweise um den Anlauf eines automatischen Notrufsystems in einem Land, in dem die Regelung von der internationalen Richtlinie etwa durch höhere Anforderungen hinsichtlich der Audioqualität der Systeme sowie Datenschutz abweicht. Dadurch wiederum werden Änderungen am System oder am Fahrzeug selbst notwendig. Darüber hinaus muss beispielsweise sichergestellt werden, dass das Senden der letzten drei bis fünf GPS-Positionen, also eines kurzen Bewegungsprofils, mit den Datenschutzanforderungen des jeweiligen Landes konform ist. Beim Zertifizierungsprozess müssen ebenfalls länderspezifische Unterschiede berücksichtig werden: in Russland etwa gibt es die Freigabe-Voraussetzung, dass mit einem mit dem eCall System ausgestatteten Fahrzeug ein Crashtest in kontrollierter Testumgebung durchgeführt wird. Auch hinsichtlich des im Zielland genutzten Mobilfunknetzes bedarf es gegebenenfalls einer Anpassung der eCall-Systeme: So müssen beispielsweise unterschiedliche Systeme zur Verfügung gestellt werden, je nachdem ob die Kommunikation im Zielmarkt auf GSM oder UMTS/LTE basiert, also ob es sich um einen paket- oder leitungsvermittelnden Dienst handelt. 

Test-Notrufzentrale im Labor.

Im Zuge der Entwicklung neuer automatischer Notrufsysteme übernehmen Experten die Abstimmung mit Bauteilverantwortlichen und sorgen dafür, dass alle benötigten Komponenten termingerecht einsatzbereit und funktionsfähig sind. So müssen etwa für den Test der Komponenten im Labor acht bis zehn Wochen eingeplant werden – ein kritischer Zeitfaktor, insbesondere wenn es etwa um die abschließende Zertifizierung geht, da bei notwendigen Änderungen und erneuter Absicherung viel Zeit verloren geht. Komponenten eines eCall-Systems sind Empfänger für GPS- und Galileo-Ortungsdaten, eine Mobilfunkantenne und Freisprechanlage sowie ein Steuergerät mit SIM-Karte. Darüber hinaus wird eine Verbindung zum Fahrzeugbordnetz benötigt, damit das System mit verschiedenen Steuergeräten kommunizieren kann: unter anderem muss etwa eine Kommunikation zum Airbag-Steuergerät möglich sein. Grund hierfür ist, dass im Falle eines schweren Autounfalls bei dem die Airbags ausgelöst werden, diese Information vom Airbag-Steuergerät an das eCall-System zurückgespielt wird und daraufhin automatisch der Notruf ausgelöst wird. Eine weitere Komponente ist ein Tastenmodul, das den Insassen des Fahrzeugs auch das manuelle Auslösen des eCall-Systems ermöglicht.  

Sobald erste Muster der Komponenten verfügbar sind, kann mit ihrer Absicherung begonnen werden – das Testing erfolgt zum einen im Labor und zum anderen bei realen Erprobungsfahrten. Für die Tests im Labor wird ein eigenes Mobilfunknetz aufgebaut, mit dem die Gegebenheiten des Ziellands simuliert werden können. Zusätzlich wird eine eigene Test-Notrufzentrale inklusive entsprechender Benutzeroberfläche eingerichtet. Dort gehen die im Labor ausgelösten Notrufe ein und können direkt hinsichtlich der automatisch übermittelten Informationen überprüft werden. Bei realen Erprobungsfahrten aufgezeichnete Daten, die in einer Datenbank dokumentiert sind, können im Labor ebenfalls genutzt werden: mit ihnen können besonders häufig aufgetretene Fehlerquellen und -arten reproduzierbar und analysierbar gemacht und schließlich im Labor simulativ nachgebildet werden. Neue Fehlerfälle von realen Erprobungsfahrten fließen kontinuierlich ein. Diese gezielte Reproduktion häufiger Fehler im Labor ermöglicht nicht nur die Integration von Komponenten im Fahrzeug, die von vornherein besser abgesichert sind, sondern sorgt gleichzeitig für eine deutlich gesteigerte Prüftiefe und eine Zeit- und Kostenoptimierung der Validierung. Im Labor werden eCall-Systeme so unter anderem hinsichtlich Datenversand und Sprachverbindung, Energieversorgung, Positionsbestimmung oder auch Freisprech-Audio-Performanz untersucht. 
 

Reale Erprobungsfahrt: 130 Notrufe in vier Tagen.

Zusätzlich zu Tests im Labor werden zur Absicherung von eCall-Systemen reale Erprobungsfahrten mit Prototypen im jeweiligen Zielland durchgeführt. Dabei übernimmt ASAP nicht nur das gesamte Projektmanagement inklusive Routenplanung und Organisation, sondern führt die Fahrten auch selbst durch. Für einen reibungslosen Ablauf müssen alle Eventualitäten bedacht und zahlreiche Vorkehrungen getroffen werden. Hierzu zählen beispielsweise die Routenplanung, die Steuerung aller logistischen Maßnahmen sowie die Abwicklung aller weiteren notwendigen Begleitmaßnahmen. Besonders wichtig bei der Planung: die Abstimmung mit Behörden und Public Safety Answering Points (PSAP), um darüber zu informieren, in welchen Zeiträumen zu Testzwecken wiederholt der Notruf ausgelöst wird.  

In einem aktuellen Projekt legen Entwickler über vier Tage 1.800 Kilometer im Zielland zurück und lösen dabei den Notruf alle fünfzehn Minuten insgesamt rund 130 Mal aus. Bei der Routenplanung wurde darauf geachtet, dass die Strecke durch Großstädte wie auch durch weniger dicht besiedelte Gebiete führt. So wird überprüft, ob das eCall-System sowohl bei stark belasteten Mobilfunknetzen in der Stadt als auch bei schlechterem Empfang in ländlichen Regionen einwandfrei funktioniert. Besonders wichtig für die umfassende Absicherung sind zudem Strecken mit Grenzübergängen. Dabei muss sich die im System eingesetzte Sim-Karte problemlos ins Mobilfunknetz des Nachbarlands einwählen beziehungsweise auch wieder in das Mobilfunknetz des Ziellands, in dem der Vertrag mit dem Mobilfunkanbieter geschlossen wurde, zurückwählen können. Nach dem Auslösen des eCall-Systems und dem entsprechenden Aufbau einer Verbindung zur nächstgelegenen Rettungsleitstelle werden dann die automatisch übermittelten Daten telefonisch abgeglichen und so überprüft.  Zu diesen Daten, die das eCall-System eines Fahrzeugs nach einem Unfall automatisch senden soll, zählen unter anderem nachstehende Informationen: genauer Zeitpunkt des Unfalls, die aktuelle sowie die letzten zwei Fahrzeugpositionen inklusive Fahrtrichtung, Fahrzeugidentifizierungsnummer, Art der Auslösung des eCall-Systems (automatisch oder manuell) und – sofern die Sicherheitsgurte angelegt wurden – die Anzahl der Personen im Unfallwagen. Gleichzeitig werden beim telefonischen Abgleich der übermittelten Informationen auch die Audioqualität sowie die Technik der Notrufzentralen überprüft. Durch die Absicherung im Labor und mittels realer Erprobungsfahrten wird so die Grundlage für den abschließenden Zertifizierungs- und Homologationsprozess vor Markteinführung neuer eCall-Systeme geschaffen.  

Literaturverzeichnis.

[1] Leben retten auf der Straße: 112-eCall wird für Neuwagen verpflichtend: ec.europa.eu/germany/news/20180328-ecall-neuwagen-verpflichtend_de (zuletzt abgerufen am 06. Mai 2020)

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